IM FOKUS DER BRANCHE
Bericht „Gegen jede Regel“ von Elena Kuss, Lebensmittel Praxis vom 19.02.2020:
Familie Fitterer hält nicht viel von Regeln: ob grammatikalisch der Slogan lautet fit, fitter, Fitterer oder ladenbaulich. In ihrem komplett umgebauten Markt in Rülzheim beweisen die Edekaner den Mut, es anders zu machen als andere.
„Wenn wir umbauen, dann machen wir eine komplette Änderung“, da waren sich die Fitterers einig. Vor 15 Jahren eröffneten Christina und Roland Fitterer, Inhaber von drei
Edeka-Geschäften, ihren Markt in Rülzheim. Damals kannte in der Pfalz weder jemand die Marke Edeka, noch war der Familienname ein Begriff. „Es war nicht einfach, Fuß zu fassen, aber es ist uns gelungen“, sagt Roland Fitterer. Umso schwerer fiel die Entscheidung für eine radikale Änderung: Die Kunden mochten die Ruhe der mediterranen Einrichtung und betonten das auch nach all den Jahren vehement. Gleichzeitig litten einige Bereiche, wie die Weinabteilung, unter der eher monotonen Stimmung. Die beiden Söhne, Andreas und Sven, die fester Teil des Unternehmens sind, sahen im Umbau deshalb eine große Chance. Die jungen Kaufmänner wünschten sich verschiedene Erlebnisräume, kleinere Aktionsflächen, die sinnvoll im 2.200 Quadratmeter großen Markt verteilt sind. „Ich bin ein Gegner von großen Aktionsflächen“, sagt auch Vater Roland. „Wir wollen immer den Kunden ans Regal bringen.“
Nachdem die Entscheidung für das neue Konzept gefallen war, ging der Umbau schnell: Bei laufendem Betrieb wurden in Rülzheim binnen sechs Wochen ganze Abteilungen verschoben. Blumen findet der Kunde nun vor den Kassen statt wie üblich am Eingang, Tiernahrung platzierten Fitterers Ende des Marktes. Während das Nonfood-Sortiment ausgedunnt wurde, kamen in Süßwaren-, Spirituosen- und Drogerieabteilung neue Produkte hinzu. Früher waren die Regale im Markt durchgängig 1,60 Meter hoch. In den abgetrennten Erlebnisräumen wurde nun mit höheren Regalen, die zum Teil bis zu zwei Meter hoch sind, Verkaufsfläche gewonnen. Am 29. Mai 2019 feierte der Markt Neueröffnung. Das Convenience-Angebot wurde von zwei auf vier Meter Frischekühlung erweitert und neu am Eingang platziert. Ladenbauer Wanzl kreierte für Fitterers unter anderem eigens eine Salatbar. Die Schalen befinden sich in einem Metallgestell über dem Angebot und sind aus jeder Position gut zu erreichen. Zusätzlich gibt es täglich für 3,50 Euro Curry-Wurst und eine wechselnde Tagessuppe. Sushi liefert der im Ort bekannte Lieferdienst Sushi-o-Palace.
MEHR UMSATZ MIT LANDAUER KAFFEERÖSTEREI ALS MIT TCHIBO
Gleich hinter der Salatbar können sich Kunden Kaffee aus einer regionalen Rösterei aus Landau abfüllen oder verschiedenste Sorten bereits abgepackt mitnehmen. „Wir machen mit dieser Rösterei mehr Umsatz als mit Tchibo“, sagt Marktleiter Patrick Müller. Regional funktioniert: So verkaufen Fitterers auch ihren eigenen Bio-Honig. Produziert von Bienen, deren Körbe gleich hinter den drei Märkten der Familie stehen. Viele Kunden wollen solche hochwertigen Produkte kaufen, so die Erfahrung der Familie, die Herausforderung ist die ausreichende Verfügbarkeit regionaler Artikel. Um die Käufer für dieses Problem zu sensibilisieren, gibt es im ganzen Markt vor Regallücken rote Hinweisschilder, die kennzeichnen, wenn ein Produkt zurzeit nicht lieferbar ist. Die Frischetheken (Fleisch, Wurst, Käse, Fisch) sind im Stil einer Landhausküche gestaltet. Eine Besonderheit dort ist der Verkauf von frischem Döner.
Im Anschluss an die Theken befindet sich nun der erweiterte Feinkostbereich mit einer großen Auswahl an Antipasti in offener Kühlung. „Als wir alles auf einem Fleck hatten, haben wir gesehen, dass wir oft das Gleiche mit unterschiedlichen Etiketten verkauft haben, und daraufhin das Sortiment bereinigt“, erklärt Sven Fitterer. Seit dem Umbau liegt die Weinabteilung im Hauptlaufder Kunden. Leere Flaschen hängen von der Decke. Weinkisten mit Fitterer-Logo stapeln sich atmosphärisch auf den Regalen und können als Verpackung für edleTropfen auch gekauft werden. Hinter einer kleinen Weinbar mit Sitzmöglichkeiten spricht der Weinfachberater Mario Capaldi die Kunden aktiv an, fragt und berät.
Marktleiter Patrick Müller schätzt Regionales:
besonders Pfälzer Wein.
Gemeinsam mit einem Sommelier besetzt er die Weintheke während der gesamten Öffnungszeit. Während viele Händler berichten, dass die Käufer sich maximal drei Minuten am Weinregal Zeit nehmen, um eine Wahl zu treffen, beobachtet der Fachberater wesentlich längere Aufenthalte. „Zehn Minuten nimmt sich der Pfälzer mindestens Zeit. Wenn er auf mich trifft, oft auch noch mehr“, sagt der Fachmann lachend. „Die Weinbar ist unsere Männerabstellecke“, ergänzt Vater Roland mit einem Augenzwinkern. Belohnt wurden Umbau und Engagement mit einer Umsatzsteigerung von 35 Prozent in der Abteilung.
FACHPERSONAL SORGT FÜR FACHMARKTCHARAKTER
Helles Licht, Discokugeln und Fußbodenbilder kreieren für die Drogerie eine ganz eigene Erlebniswelt im Stil der 80er-Jahre. Eine Drogistin ist für die Warenauswahl und Beratung zuständig. So finden die Kunden neben Marken wie Vichy und Avène, die sonst eher in Apotheken stehen, auch eine Auswahl an hochpreisigem Parfüm, zum Beispiel Lancôme für 98,95 Euro. Vor Diebstahl geschützt werden die Düfte durch eine Vitrine. Es ist Fitterers Ansatz, dass Fachpersonal in jeder Abteilung für Fachmarktcharakter sorgt. „Dass wir unseren Mitarbeitern freie Hand lassen, motiviert diese natürlich“, sagt Sven Fitterer.
RUNDE REGALE VOLLER ZUCKERWAREN, DIE FLÄCHE VERSCHENKEN
Ein Highlight des Marktes ist die Süßwarenabteilung, die an ein Karussell erinnert. Mit kleinen Glühbirnen bestückte Buchstaben, wie man sie häufig auf dem Jahrmarkt sieht, bilden die Worte „Candy Shop“. Unter einem Stoff-Baldachin mit aufgedruckter Spirale in Rot und Weiß steht ein Rondell mit Zuckerstangen und Bonbons, das umarmt wird von runden Regalen voll mit Schokoladen Ein großer Kühlschrank mit Schokoküssen des regionalen Herstellers Trauth passt perfekt zum Vintage-Stil der gesamten Abteilung. Sven und Andreas erzählen, dass Ladenbauer Wanzl ihnen die Grafiken für die Süßwarenabteilung gezeigt hatte, ohne wirklich damit zu rechnen, dass die Kaufmänner sich darauf einlassen. „Wir haben direkt gesagt, das gefällt uns, das machen wir“, erzählt Andreas Fitterer im vollen Bewusstsein, dass dadurch Verkaufsfläche verloren geht. Durch die Rundung des Regals ergeben sich einige Probleme: Man hat zum Beispiel vorne mehr Platz als nach hinten weg“, erklärt er. Die Familie bestückt das Rondell deshalb trotz des größeren Aufwands mit Zuckerwaren in Hängung, um ein ordentliches Gesamtbild zu schaffen.
Direkt vor den Kassen binden Floristinnen Sträuße. „Wenn die Blumen am Anfang in den Einkaufkorb gelegt werden, stören sie den ganzen Einkauf über“, sagt Andreas. Mutter Christina Fitterer erzählt, dass die Familie auch in dieser Abteilung vom Fachpersonal profitiere, das sie von dem ehemaligen Blumenladen im Ort übernehmen konnte. „Deshalb können wir auch Hochzeiten, Taufen und andere Feiern mit Blumen ausstatten“, sagt sie. Noch hinter den Blumen am Marktende finden die Kunden Tiernahrung. Sven Fitterer äußert: „Man sagt: Wenn der Kunde die Kasse sieht, stürzt er sofort darauf zu“. Tiernahrung müsse jedoch auch nicht im Hauptkundenlauf sein, da die Käufer die Produkte sowieso auf dem Einkaufszettel haben. So werde auch der eher wenig frequentierte hintere Marktteil sehr gut genutzt. „Der Umsatz entwickelt sich dort wie im Rest des Markts“, sagt Sven zufrieden. Der Erfolg gibt Fitterers also recht.